Dieter Raedel | Rembrandt van Rijn. 1606 – 1669. Der blinde Tobias. 1651. Kaltnadel – Radierung. Science of Art.
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Rembrandt van Rijn
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1606 Leiden – 1669 Amsterdam
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>> Der blinde Tobias <<
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Die Radierung stellt ein bäuerliches Interieur dar und ist mit hoher Empfindlichkeit Rembrandts geschaffen worden. Da, wo man eigentlich die Tiefe des Bildes erwarten könnte, wo die Aufhellungen zu finden sind, brennt als Zeugnis des Lebens das Kaminfeuer. Es hat viel Platz, kann sich ausbreiten und deutet auf eine impulsive Sache hin. Über dem Feuer hängen Fische, die in der Gleichförmigkeit des Alltags geruhsam geräuchert werden. Jetzt aber, wo eine Ausbruchstimmung im Bild dargestellt wird, taugt das lodernde Feuer nicht zum Räuchern.
Tobias ist alt geworden. Hochgelagerte Gegenstände stammen aus einer Zeit, wo er sich noch gut bewegen konnte. So sieht man auf dem Pfosten der nach vorn gelagerten Tür, dessen Einschalung von Rembrandt mit kurzen, offenen Strichen herausgearbeitet wurde, eine alte Flasche, die einst Wein enthielt und für die Freuden taugte und in deren Nähe sich die große Lichtzone ausbreitet.
Vor längerer Zeit holte sich Tobias ein großes altes Wagenrad in die Wohnung, um seine geschwächten Beine erhöht abstellen zu können. Das Rad gehörte zu einem Wagen, zur Bewegung und war mitbestimmend für den Fortgang des Lebens. Der Wagen kam zum Stillstand, und nun ruhen die Beine Tag für Tag auf dem Rad, der Größe seines vergangenen Lebens. In seiner Not, in seinem Exil, wird er hart auf die Probe des Gottglaubens gestellt und wird sicher nicht immer glaubensfest gewesen sein.
Tobias ist blind und kennt sein Gehäus’ ganz genau. Er saß gedankenverloren in seinem Stuhl, dessen breite Sitzfläche tief eingedrückt ist, als die Glocke ertönte, die man oben an einem Wandregal erblicken kann. Er springt auf in Erwartung seines Sohnes und verliert dabei die Orientierung. Ein kleiner Hund springt vor seinen Fuß, um ihn daran zu hindern, gegen die Wand zu rennen. Die Ankunft seines Sohnes, der auf Reisen war, um einen Schatz zu holen, der ein Lichtpunkt nach langer Finsternis wäre und dem er als schützende Begleitung den Engel Rafael an seiner Seite wusste.
Es ist erstaunlich, mit welch’ einer punktgenauen Sensibilität Rembrandt eine Geschichte darstellt, seine Striche setzt . Alles ist weich und von großer Seele, um die illustrierte Geschichte des blinden Tobias zu meistern.
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Gruß prenzlmaler.de
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Rembrandt van Rijn. Der blinde Tobias. 1651.