Wir waren eine Ausbildungskompanie des Medizinischen Dienstes der Nationalen Volksarmee der DDR und wechselten oft die Standorte, um in zivilen Einrichtungen Praktika zu absolvieren. In Cottbus waren wir im Krankenhaus praktisch tätig und in der Kaserne ging’s theoretisch zu. Direkt an der Karl-Liebknecht-Straße im zweiten Stock wohnend, konnten wir uns mit den Leuten auf der Straße unterhalten. Einfach herrlich !
Gegenüber der Kaserne war eine volkseigene Konservenbude, die uns besonders interessierte, da viele junge Mädchen dort in Ausbildung standen. Eines schönen Tages gab es mittags Pflaumenkompott und jemand hatte die grandiose Idee, die Pflaumen als Geschosse zu verwenden. Wir bemühten uns an jenem Tag, möglichst viel von diesen Früchten zu ergattern. Da uns der Vorrat zu gering erschien, nahmen wir mit der Verpflegungskompanie Kontakt auf und erklärten den Kumpels den bevorstehenden Ernstfall. Da der Küchenchef von unserem Plan begeistert war, erhielten wir einen halben Eimer Pflaumen zusätzlich.
Als die Mädchen gegen 16.30 Uhr Arbeitsschluss hatten, waren zu diesem Zeitpunkt sämtliche Fenster von uns offen und wir verharrten spannungsgeladen in unseren Schießscharten. Endlich ! Sie kommen !
Aus sechs Fenstern gab’s nun ein Feuerwerk von Pflaumen mit einer derartigen Dichte, dass zu diesem Zeitpunkt kaum jemand ungetroffen aus der Fabrik entschlüpfen konnte. Die Mädchen zogen sich zurück und blieben zunächst im Betriebsgelände. Als der Pförtner des Betriebes uns zur Ordnung ermahnen wollte, hagelte es erneut Pflaumen. Leider ging uns bald der Vorrat zu Ende und die Betriebsangehörigen konnten ungeschoren ihre Wirkungsstätte verlassen. Da wir keine Pflaumen mehr hatten, bombardierten wir sie mit bissigen Bemerkungen. Ein voller Erfolg !
Noch am Abend mussten wir uns im Kasernenflur in einer Doppelreihe aufstellen und unser Hauptmann hielt eine Ansprache. Er erklärte uns, einen Fehler gemacht zu haben, weil wir die werktätige Bevölkerung am Heimweg gehindert hatten. Nach längeren Überlegungen stimmten wir seiner Feststellung zu. Unverzüglich mussten sofort die zermatschten Pflaumen vor und in dem Betriebsgelände eingesammelt werden. Des Weiteren erhielten wir zusätzlichen Dienst außer der Reihe. Wir wurden verpflichtet, die Herbstblätter vor unserer Kaserne wegzuräumen, um so der Öffentlichkeit zu zeigen, dass wir volksverbundene Kerle waren, die man eigentlich nur lieben konnte. Bei Vollzug sollten wir Meldung an den Offizier vom Dienst einer anderen Einheit machen, da unsere Offiziere abends andere Dinge zu tun hatten und sich nicht im Objekt befanden.
Mit Besen, Schaufeln und Körben rückten wir auf die Straße. Die aus dem Betrieb kommenden Mädchen lachten uns aus, was uns nicht besonders behagte. Sofort gab’s eine Dienstbesprechung. Nun kehrten wir die mit Herbstblättern dicht besiedelte Straße im Schachbrettmuster, was bei vielen Einwohnern bestens ankam. Blätter, die sich in die freien Felder verirrten, wurden per Hand ausgelesen. Einige junge Leute spielten Hopse. Und schon lachte man auf der anderen Straßenseite nicht mehr. Einer von uns erstattete Vollzug und irgendein Offizier kam angelatscht, um sich vom vollendeten Dienst außer der Reihe zu überzeugen.
Er sagte gar nichts, kratzte sich an der Stirn und ging zurück ins Objekt. Ungefähr eine halbe Stunde später kam unser Hauptmann und redete nachhaltig auf uns ein, sofort die restlichen Blätter von der Straße zu entfernen und keinen neuen Blödsinn anzustellen. Von einer Bestrafung wolle er absehn, wenn seinem Befehl entsprochen würde. Wir versprachen ihm, das Kunstwerk von der Straße zu entfernen. Zufrieden dampfte er ab.
Die Blätter stopften wir rechts in so ’ne Art Bunker am Kasernentor und der O.v.D. aus einer uns nicht bekannten Einheit war zufrieden. Leider gab’s nach einer Stunde erneuten Alarm, da der Bunker sich selbst entzündet hatte, die gesamte Karl-Liebknecht-Straße in unserem Abschnitt nur noch aus Rauch bestand und die Autos langsam mit Licht die Kaserne passierten. Unser Hauptmann besuchte uns erneut und wir erklärten ihm, mit der Sache nichts zu tun zu haben. Wir waren zu der Annahme gekommen, dass uns eine Nachbareinheit austricksen wollte und dort die Übeltäter zu suchen sind. Der Hauptmann gab die Recherchen an den O.v.D. der benachbarten Einheit weiter und verschwand mit einem Grinsen aus der Kaserne.
LG Prenzlmaler Dieter Raedel.