Warzenfiliale Künzelsau nimmt Anlauf

Das ist eine nachfolgende Geschichte zur Warzenfrau aus Künzelsau. Eine heitere Lügengeschichte, tall tale, aus dem Labor von Prenzlmaler Dieter Raedel. Wohl bekomm’s.
Als Winnibald Scharlata der Warzenfrau aus Künzelsau Konkurrenz machen und einen großen Deal starten wollte, musste er zu seinem Bedauern feststellen, dass die esoterischen Felder im Internet bereits von Spaßvögeln aller Art gepflügt wurden. Auch war ihm unbekannt, ob das Besprechen von Warzen ihm gelingen würde und diese Hornbiester auch tatsächlich nach seiner Warzenansprache sich verduften würden. Er wollte sich unbedingt von anderen Hobby-Ärzten unterscheiden. So zerbrach er sich seine Rübe und dachte sich Methoden aus, die insbeondere die Glaubseligen von Baden – Württemberg aufhorchen lassen sollten.

Er setzte sich mit führenden Zoologen zusammen, um eine Zucht von Warzenbeißern aufzuziehn. Diese Schreckenart war als Schreckensart noch nicht bei den Warzianern vertreten. Zudem mixte er verschiedene Tinkturen aus der Apotheke als Heilbalsam zusammen und benannte diese nach bedeutenden Wissenschaftlern. So gab es bereits „Humboldt Balm Lila F“ und „Merkel Backe Lift 13“ im Sortiment. Letztere Sorte hatte er auf alte Dielen gestrichen und innerhalb von zwei Stunden war die Farbe weggefressen worden. Zum Wegätzen von Warzen wie geschaffen, falls seine Warzenquasselei nicht anschlagen sollte. Die andere Sorte hatte er probehalber vor vier Tagen auf verschiedene Hühnerbeine seines Nachbarn aus der Hirtengasse gestrichen, den er am Geschäft beteiligen wollte. Eine Rückmeldung hatte er noch nicht erhalten. Ein Karton mit Warzenbeißern war heute eingetrudelt und langsam nahm das Unternehmen Form an. Die grünen Beißer im Karton brauchten nun eine ständige Betreuung, um sie bei Laune und Kraft zu halten. Da seine Mutter die Pflegestelle nicht antreten wollte, verkündete er in der Regionalpresse vom Hohenlohekreis, dass ein Azubi-Platz für tierfreundliche Rotzlöffel von Realschulen frei sei. Gemeldet hatte sich bisher niemand, vielleicht war der Annoncentext nicht schmackhaft genug.

Sein Nachbar Immerfried Hahnekamm besuchte Winnibald und teilte ihm mit, Humboldt Balm Lila F sei hervorragend wirksam geworden und seine Hühner hätten jetzt glatte Jungspargelbeine. Er wolle demnächst die therapierte Truppe bei der nächsten Geflügelschau als Neuzüchtung auf den Laufsteg schicken und war überzeugt, entsprechende Preise abzuräumen. Den Zuchterfolg wollte er den Geflügelexperten als Campell-Hühner mitteilen.

Auch habe er eine Brühe aus diesem Balsam hergestellt und in ein Brombeerglas gefüllt. Die Brombeeren hätten nun die Oberflächenstruktur von Süßkischen. Aus dieser Überzeugung heraus bestellte Hahnekamm für 500 Euro Humboldt Balm Lila F, so dass Winnibald für die kommende Zeit ausgelastet war. Das Geschäft lief also besser an, als er sich das erträumen konnte. Hahnekamm stieg aus dem Geschäft aus, da er in den nächsten Wochen Campell-Hühner in Österreich und der Schweiz anbieten wollte und darin ungeahnte Aufstiegsmöglichkeiten auf dem internationalen Parkett sah.

Die Warzen-Agentur Scharlatana lief also auf Hochtouren, noch bevor sie gegründet wurde. Winnibald fragte nun in seiner Gegend rum, wer an Warzen leide, um einen ersten Probelauf vom Stapel zu lassen. Es dauerte gar nicht lange und eine hübsche Mittvierzigerin aus Niedernhall klingelte an seiner Tür. Das kam völlig unvorbereitet und nun war guter Rat teuer. Humboldt Balm Lila F hatte er nicht mehr und bei Merkel Backe Lift 13 meldete er berechtigt Bedenken an. So musste er sich zu einer Improvisation entschließen und baute auf die Zeit bis zur möglichen Heilung. Er befragte die Kundin, an welcher Körperstelle sie eine Warze habe und begann zu überlegen, was er mit ihr anstellen könne.

„Wie ich merke, ist ihre Warze am kleinen Finger nicht besonders groß und ich würde mal sagen, nach zehn Besprechungen dürfte diese der Vergangenheit angehören.“
“ Zehn Besprechungen ? Geht’s nicht etwas schneller ? Ihre Firma hat doch, so nehme ich an, nichts mit dem Mehdorn der Bahn zu tun.“
“ In diesem Falle ist allerdings ein Expresszuschlag fällig.“
„Und was würde das auf die Schnelle kosten ?“
„Ähmm… also…hm. 5 Besprechungen á 50 Euro ohne Quittung mit Expresszuschlag plus 19 Prozent Märchensteuer macht 499,32 Euro genau.“
„Sie sind ja ein regelrechter Schnellrechner. Kompliment ! Beim nächsten Besuch erhalten Sie Ihr Geld.“
„Aber bar auf die Kralle !“
„Wie bitte ?“
„Aber Bar in diesem Falle !“
„Meine Ohren sind auch nichr mehr das, was sie einmal waren…“
„Setzen Sie sich dahinten in die Ecke und warten Sie entspannt ab.“

Winnibald war am Ende seines Lateins. Hatte nicht Mutter irgendwo in der Kammer noch ne Bibel liegen ? Er brauchte was zum Rumbabeln. Im Nachtschränkchen lag ein Brief aus Rom und darauf stand „Psalm 1“. Schnell zog sich Winnibald noch einen schwarzen Stoffrest von Vaters Beerdigung über die Schulter und trat gesenkten Hauptes an den kleinen Finger der Klientin:
„Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt,
nicht auf dem Weg der Sünder geht,
nicht im Kreis der Spötter sitzt,
sondern Freude hat an der Weisung des Herrn,
über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht.
Er ist wie ein Baum,
der an Wasserbächen gepflanzt ist,
der zur rechten Zeit seine Frucht bringt
und dessen Blätter nicht welken.
Alles, was er tut,
wird ihm gut gelingen.
Amen.“

Danach ging Winnibald zur Spüle, drehte den Wasserhahn auf und benetzte seine Hand. Er ging zu seiner Klientin und machte eine ruckartige Handbewegung, wobei ein Tropfen auf ihre Bluse fiel.

„Das war’s wohl schon ?“
„Ja, die erste Sitzung war erfolgreich. Kommen Sie bitte in drei Tagen wieder und denken Sie an die Vorkasse !“

Am nächsten Tag klingelte es früh 6 Uhr an der Haustür und die Frau schrie erregt:
„Machen Sie sich ganz schnell aus dem Staube ! In 5 Minuten erscheint mein Mann mit der Axt, um Ihnen das Honorar zu verpassen !“
„Was ist passiert, was ist passiert, gute Frau ?“

„Mir fehlt die rechte Brustwarze !!!“
LG Prenzl.