Humoreske via Telefon Ohorn – Berlin vor ein paar Jahren.
Meine Mutter lebte die letzte Zeit ihres Lebens in ihrem hohen Alter von beinahe 90 Jahren in einem „Heim für betreutes Wohnen“ in Ohorn im Westlausitzer Bergland, wo die Oberlausitz ihren Anfang nimmt. Sie war eine Art humorvoller Feldwebel. Leicht vom Alter gebeugt, schnell im Gang und redegewandt, durchpflügte sie mit Lachen ihre Zeit. Ihre Wohnung glich einer Bildergalerie. Wer hatte schon echte Gemälde an den Wänden ? Meine liebe Mutter hatte mich als malenden Sohn und so gab’s von Zeit zu Zeit immer künstlerischen Nachwuchs für ihre weißen Wände.
Eines schönen Tages während der Sommerzeit, stellte sie sich einen leckeren Früchte – Salat mit Bananen, Kirschen und Quark her, um sich auf diese Weise einen Vitamin – Schub für die nächsten Tage in ihr Stübchen zu holen. Sie wohnte im 2. Stock des Altenheimes und vermied trotz erheblicher Laufschwierigkeiten, die sie durch eine offene Wunde an ihrem rechten Knöchel besaß, den etwas weiter hinten gelegenen Fahrstuhl
zu benutzen.
Die nicht mehr verwertbaren Reste der Früchte stopfte sie in eine Plastik-Tüte und brachte diese zu den Mülltonnen in der Nähe des Heimeinganges. Als sie zurück in ihre Wohnung trabte, stellte sie bedauerlicherweise fest, dass die Tüte ein Loch besessen hatte und auf dem Gang mehrere Kleckereien sich befanden. Beflissen holte sie einen Lappen und versuchte jeden einzelnen Früchtetropfen so schnell wie nur möglich zu beseitigen. Als sie fertig war, gab es stabsgemäß einen erneuten Kontrollgang. Da ihr Augenlicht nicht mehr das beste war, schinderte sie im Flur, um etwaig verpasste Reste aufzuspüren.
„Dieter, du wirst es nicht glauben, aber ich hatte tatsächlich eine Stelle übersehn und rutschte aus, wobei ich Glück hatte, nur bei der einen Stelle auf dem Hintern zu landen !“
„Heißt das, dass du bei anderen Stellen anderswo gelandet warst ?“
„Nee, nee. Ich war schon wieder in meinem Zimmer und da rumste es draußen. Oh Gott, was is de nu passiert ? Bin gleich raus und da lag meine Nachbarin im Flur. Nu stell dir mal vor, wenn’ch da och noch gelandet wäre. Ich fragte sie gleich, ob sie sich was getan hätte, aber sie meinte, dass der Türvorleger den Aufprall abgebremst habe. Da hab’ch aber Schwein gehabt, sagte ich zu ihr, denn es hätte mich ja zweemal treffen können ! Biste noch am Telefon, Dieter ?“
„Aber ja, Mutti, ich hör‘ dir gespannt zu !“
„Nu war’s aber so, als die Nachbarin ihre Türe aufmachte, da gab’s einen Windstoß und meine Türe krachte zu, weil ja och die Balkontüre offen war. Meine Nachbarin sagte: Gretel, das haste nu davon ! Nu hat’ch aber keen Schlüssel mehr und wusste nicht, wie ich wieder in die Wohnung komme. Auf dem Herd hatte ich ne Haferflockensuppe stehn und der war an. Hörste noch zu ?“
„Ja, Mutti, erzähl ruhig weiter.“
„Da hab’ch bei der Nachbarin gekloppt und die sagte: Was is’s nu schon wieder los ? Wir ham die Feuerwehr angerufen und die kamen och ziemlich schnell. Ihrer zehn oder zwölf Mann waren die. Ich hab denen gesagt, dass die übern Balkon ins Zimmer können, um mir von innen die Türe aufzumachen. Aber die wussten ne gleich, wie se mit ihrer Feuerwehr- leiter an den Balkon kommen sollten, weil da die Stromdrähte in der Nähe waren. Nu stell dir mal vor, Dieter, wenn hier was passieren würde und die könnten wegen der Strom – drähte nicht rauf. Nich auszudenken. Nu kurz danach machte einer auf und ich fragte gleich, ob er och nicht meine Blumentöppe umgerissen habe. Der meinte, er hätte ufge – passt. Da wollt’ch denen einen Kaffee kochen, aber die meinten, dass die grade vorher welchen getrunken hätten. Nu, Dieter, ich war großzügig und wollt’n Chef fünf Euro geben, aber der sagte, dass die das umsonst gemacht hätten. Es wäre lange nischt losgewesen und die würden das als Übung ansehn. Da war’ch aber sehr dankbar.
Und nu kommt’s dicke, Dieter. Als ich meine Haferflocken vom Herd nahm, klatschte ein kleiner Löffel mir aus der Hand. Und als ich mich bückte, um den wieder ufzuheben, fiel mir der gesuchte Schlüsselbund aus der Schürzentasche. Ich hab das gleich zu meiner Nachbarin gesagt, dass die Feuerwehr umsonst da war, da ich ja den Schlüssel in der Tasche hatte. Na, das war vielleicht ein Durcheinander ! Hätte die nicht ihre Türe
ufgemacht, hätt’ch mer das ganze Theater ersparen können !“
Danach beruhigte sich meine Mutter und ich wünschte ihr noch telefonisch einen weiteren abwechslungsreichen Tag.