Der Interviewer: Ein Ausspruch von dir ist in einem Begleitkatalog zu finden. Er lautet: „Meinen Eltern, die noch immer hoffen, dass aus mir was wird“. Neben einer gewissen Selbstironie lässt der Satz ja auch darauf schließen, dass du dich sehr frühzeitig schon, vielleicht schon in der Kindheit intensiv mit bildender Kunst auseinandergesetzt hast. Gab es ein entscheidendes Erlebnis, eine Erfahrung, die dich dazu inspiriert hat „Kunst zu schaffen“, wenn man es so formulieren darf?
Pavel Feinstein: Nein, habe mich mit etwa 14 Jahren damit einfach „infiziert“
Der Interviewer: Welche Rolle spielte die Bildende Kunst in deinem Elternhaus?
Pavel Feinstein: Eine große. Wir hatten eine sehr umfangreiche Kunstbibliothek, an allen Wänden Bilder und Zeichnungen von bester Qualität.
Der Interviewer: Der Name Leonid Starkow wird sehr oft im Zusammenhang mit deiner frühzeitigen künstlerischen Ausbildung genannt. Was hat er dir Besonderes auf deinen Weg mitgegeben?
Pavel Feinstein: Das Verständnis, dass das Malen selbst auch seinen eigenen Preis darstellt – nicht der Ruhm oder der Erfolg etc.
Der Interviewer: Du bist in Moskau geboren und in der damaligen Sowjetunion aufgewachsen. In welcher Weise hat dich deine Zeit dort geprägt? Welche Wurzeln sind noch dort und wie wirken diese sich auf deine Kunst aus.
Pavel Feinstein: Ich habe dort keine Wurzeln mehr. Und eben auch keine Nachwirkungen.
Der Interviewer: Die Kunstfachschule Duschanbe war eine weitere Station. Warum lag diese Station gerade in Tadschikistan?
Pavel Feinstein: Ich bin dort aufgewachsen, denn meine Eltern übersiedelten dorthin 1965.
Der Interviewer: Im Alter von 20 Jahren bist du nach Deutschland übergesiedelt, um Kunst an der HdK Berlin zu studieren und bist dann dort zum Meisterschüler ernannt worden. Was waren die wesentlichen Eindrücke, die das Studium und insbesondere auch das Meisterschülerstudium in deiner Entwicklung hinterließen? Wer waren deine Professoren und was hast du von ihnen für dich entnommen.
Pavel Feinstein: Ich bin nach Deutschland übergesiedelt nicht um zu studieren, das ergab sich von selbst. Wir wollten um jeden Preis fort aus der UdSSR und das Schicksal hat uns nach Westberlin geführt. Eindrücke? Das Fehlen eines Studiums. Aber immerhin hatte ich die Möglichkeit mir selbst was beizubringen, ohne Diktat von Außen. Und natürlich die Möglichkeit die Werkstätten zu benutzen, von der ich leider viel weniger Gebrauch gemacht habe, als ich es hätte tun sollen.
Der Interviewer: Deine Arbeiten fallen auf. Dies liegt sicher zum einen an der Wahl der Motive, die – zumindest beim ersten Mal – den Betrachter gravierend irritieren. Es liegt aber auch am altmeisterlichen Stil der Arbeiten. Eine sehr gelungene Kombination und in dieser Form recht selten anzutreffen. Kannst du beschreiben, wie es zu dieser eigenwilligen Ausdrucksform kam, die befremdet und gleichzeitig magisch anzieht?
Pavel Feinstein: Nein, das kann ich nicht beschreiben, Bilder entstehen fast autonom.
Der Interviewer: Stillleben spielen in deiner Arbeit schon länger eine tragende Rolle. Die Zusammenstellung von vertrauten, manchmal nicht ganz so vertrauten oder gar keineswegs Vertrauen erweckenden Gegenständen ist faszinierend. Entstehen diese Bilder ganz spontan oder sind sie irgendwie schon im Kopf für später gespeichert, also für den Zeitpunkt, wo sie dann einfach raus müssen?
Pavel Feinstein: Nichts ist gespeichert. In Wirklichkeit sind das alles übereinander geschichtete Improvisationen, jeweils abgewogen und für existenzberechtigt befunden.
Der Interviewer: Eine Frage zu den großformatigen Arbeiten. Gibt es dazu Entwürfe oder gehst du völlig frei an das jeweilige Motiv heran?
Pavel Feinstein: Ich gehe völlig frei ran.
Der Interviewer: Es tauchen oft Affen auf, die malen. Affen, insbesondere Menschenaffen sind in gewisser Weise Grenzwesen zwischen Mensch und Tier. Sie stehen symbolisch aber auch oft für das kindische Moment im Menschen, die Narrheiten und Spielereien. In manchen Kulturen sind Affen, vor allem die bekannten „drei Affen“ als Symbol für den Umgang mit allem Schlechten anzusehen. Was bedeuten Affen und die Darstellung der Affen für dich und deine Kunst? Welche Botschaft transportieren sie in deinen Bildern?
Pavel Feinstein: Affen, wie auch alles andere, haben keine aussermalerischen Bedeutungen.
Der Interviewer: Die Nähe zu Velásquez ist in manchen Bildern erkennbar. Was bedeutet dir dieser große spanische Barockmaler?
Pavel Feinstein: Für mich ist er der beste Maler aller Zeiten
Der Interviewer: Ein Bild aus dem Jahr 1994 zeigt einen mit einem spitzen Messer bewaffneten Rabbiner, der lediglich mit einem Tuch um seine Hüften bedeckt ist und von einer Ziege begleitet wird. Die Kopfbedeckung als Zeichen der Ehrfurcht vor Gott hat er aufbehalten. Dieses Bild lässt beim Betrachter, vor allem jenem Betrachter, der sich mit dem jüdischen Glauben nie besonders beschäftigt hat, sehr viele Schlüsse zu. Am auffälligsten ist, dass sich der mit einem sehr schmächtigen Körper ausgestattete Akteur des Bildes offenbar zu verteidigen weiß bzw. auch angreifen könnte und somit alles andere als eine Opferfigur ist. Wie bewusst hast du dieses Motiv gewählt?
Pavel Feinstein: ich habe gar nichts gewählt, dieses Bild ist genauso entstanden als auch die anderen – eine Aufschichtung von Improvisationen. Es ist nicht auszuschließen, das es zuerst ein Stillleben werden sollte.
Der Interviewer: Könntest du dir innerhalb deines weiteren künstlerischen Entwicklungsweges vorstellen, aus der reinen Figuration auszubrechen und der Reduktion und Abstraktion die Türen zu öffnen, wenn auch nur einen Spalt breit?
Pavel Feinstein: Nein.
Der Interviewer: Du hast bereits an unzähligen Ausstellungen teilgenommen. Wie reagieren die Rezipienten im Allgemeinen auf deine Kunst? Gab es schon einmal ein besonders denkwürdiges oder auch ein besonders komisches Erlebnis?
Pavel Feinstein: Diese Frage kann man erst nach einer Flasche Wein beantworten. Ohne Wein fällt mit nichts ein.
Der Interviewer: Was bedeutet für dich der Begriff Kunst?
Pavel Feinstein: Schöpfung.
Der Interviewer: Was macht einen guten Künstler für dich aus?
Pavel Feinstein: Einen guten Maler machen seine Fähigkeiten und Maßgefühl aus, aber einen Künstler?… Kunst ist für mich eine metaphysische Angelegenheit, Begriffe wie „gut“ und „schlecht“ greifen hier nicht.
Der Interviewer: Welche nächsten Ausstellungen sind geplant?
Pavel Feinstein: Wir werden sehen…
Der Interviewer: Pavel, vielen Dank für dieses Interview!