Ausstellung im Musée Jacquemart-André, Paris | 19. März – 3. August 2025
Artemisia Gentileschi – eine Künstlerin, deren Leben wie ein barockes Drama anmutet: intensiv, mutig, schmerzhaft und voller Leidenschaft für die Kunst. Das Musée Jacquemart-André in Paris widmet ihr 2025 eine monumentale Retrospektive, die ihre Meisterwerke, ihren Werdegang und ihren Einfluss auf die europäische Kunstgeschichte eindrucksvoll in Szene setzt.
Eine Pionierin ihrer Zeit
Geboren 1593 in Rom, wuchs Artemisia in einem künstlerischen Umfeld auf. Ihr Vater Orazio Gentileschi war selbst ein renommierter Maler und Anhänger Caravaggios. Früh entdeckte er das außergewöhnliche Talent seiner Tochter, die in jungen Jahren bereits eine technische Sicherheit und emotionale Tiefe zeigte, die ihresgleichen suchte.
Trotz ihrer Begabung musste sich Artemisia in einer von Männern dominierten Kunstwelt behaupten – und das mit beispielloser Entschlossenheit. 1616 wurde sie als erste Frau in die renommierte Accademia delle Arti del Disegno in Florenz aufgenommen – ein Meilenstein, der nicht nur ihren Rang als Künstlerin, sondern auch ihren gesellschaftlichen Durchbruch markierte.
Kunst als Akt der Selbstermächtigung
Ein dunkles Kapitel in Artemisia Gentileschis Leben ist die Vergewaltigung durch Agostino Tassi, einen Malerkollegen und Schüler ihres Vaters. Der darauffolgende Gerichtsprozess war nicht nur öffentlich, sondern auch demütigend – Artemisia wurde gefoltert, um ihre Aussagen zu „überprüfen“. Doch sie ließ sich nicht brechen. Ihre Bilder wurden zu einem Ausdruck innerer Stärke – und vielleicht auch zu einem Ventil ihres Traumas.
Vor allem ihre Darstellungen von starken Frauenfiguren wie Judith, Susanna oder Lucretia, zeigen eine bemerkenswerte Mischung aus Verletzlichkeit und Entschlossenheit. In vielen ihrer Historienbilder begegnen wir weiblichen Protagonistinnen, die sich aktiv gegen Unterdrückung und Gewalt zur Wehr setzen – mit dem Pinsel als Waffe.
Die Ausstellung in Paris: Einblicke in ein kompromissloses Œuvre
Die Pariser Retrospektive versammelt über 40 Werke aus internationalen Sammlungen, darunter bedeutende Leihgaben, Neuzuschreibungen und Werke aus ihrer Frühzeit bis zum Spätwerk.
- Einfluss und Entwicklung
Besonders spannend ist die Gegenüberstellung von Werken ihres Vaters Orazio und Caravaggios – darunter zwei Versionen der „Dornenkrönung“. Diese geben Einblick in die künstlerischen Wurzeln Artemisia Gentileschis und zeigen, wie sehr sie sich dennoch von den Vorbildern emanzipierte.
Ein Highlight ist das früheste signierte Gemälde Artemisia Gentileschis: „Susanna und die Alten“ (1610). Eine Szene, die sie mehrfach interpretierte – vielleicht als künstlerische Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Erfahrung von Übergriffigkeit.
- Porträts & Selbstbilder
Artemisia verstand es meisterhaft, sich selbst zu inszenieren. Besonders eindrucksvoll ist ihr Selbstporträt als Lautenspielerin (1614–1615). Dieses Gemälde war nicht nur ein Selbstbild, sondern auch eine strategische Präsentation ihrer Kunstfertigkeit – mit Erfolg: Der Großherzog Cosimo II. de’ Medici wurde auf sie aufmerksam und beauftragte sie mit weiteren Werken.
Auch in Paris werden Porträts zu sehen sein, die bislang kaum der Öffentlichkeit zugänglich waren – darunter Werke, die erst jüngst ihr zugeschrieben wurden.
- Heldinnen zwischen Eros und Thanatos
Ein zentrales Thema der Ausstellung ist die Darstellung weiblicher Stärke und Sinnlichkeit. Werke wie „Judith und ihre Dienerin“ (ca. 1615, Uffizien, Florenz) oder „Esther vor Assuerus“ (ca. 1628, The Met, New York) zeigen Heldinnen, die zwischen Mut, Opferbereitschaft und innerer Zerrissenheit balancieren. Artemisia gelingt es, diese Frauen als komplexe Persönlichkeiten darzustellen – verletzlich, aber niemals schwach.
Ein besonderes Augenmerk liegt auch auf der „Allegorie der Neigung“, einem Werk aus der Casa Buonarroti in Florenz. Ursprünglich als nackte Figur gemalt, wurde das Bild im 17. Jahrhundert aus sittlichen Gründen mit einem Schleier übermalt – eine ironische Fußnote der Kunstgeschichte angesichts Michelangelos körperlicher Ausdrucksstärke.
Fazit: Ein Pflichtbesuch in Paris
Artemisia Gentileschi ist längst mehr als eine „Wiederentdeckung“. Sie war zu Lebzeiten berühmt – und wird nun mit dieser groß angelegten Ausstellung gebührend gefeiert. Ihre Werke sind emotional, politisch, kraftvoll – und aktueller denn je. Wer sich für feministische Perspektiven in der Kunstgeschichte interessiert, für barocke Dramaturgie und technische Meisterschaft, kommt an dieser Ausstellung nicht vorbei.
Musée Jacquemart-André, Paris – 19. März bis 3. August 2025
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