Der Interviewer: Wie bist du zur Bildenden Kunst gekommen? Gab es ein Schlüsselerlebnis oder war der Künstlerberuf schon immer dein innigster Wunsch?
Mario Purkathofer: Urpsrünglich sollte ich Architekt werden. Da ich aber wenig Lust hatte Einfamilienhäuser für andere Leute zu zeichnen, entschied ich mich für ein Studium der Bildhauerei in Linz und gegen Sophokles, Fo und ein Schauspielstudium in Graz. Nebenbei interessierte ich mich immer für Kultur -u. Geisteswissenschaften mit Ausflügen in Germanistik, Publizistik und Soziologie. Anschliessend Zürich. Ich hab den Beruf des Künstlers auch während meines Studiums immer kritisiert und konnte der Romantik kaum etwas abgewinnen.
Der Interviewer: Du hast an der UDK in Berlin studiert. Was war dein Hauptfach und was hast du Besonderes aus deinem Studium für deinen weiteren Weg in Richtung Kunst entnommen?
Mario Purkathofer: An der UDK hab ich nur ein Jahr studiert und zwar Electronic Business (UDK). Das war während ich für die Transmediale in Berlin gearbeitet habe. Es war verdammt kalt damals und mein Lohn reichte gerade aus um mir ein Wohnatelier in Kreuzberg zu leisten. Aber Berlin ist immer ein Erlebnis. Ich würde wiederkommen, wenn jemand mich einladen würde.
Der Interviewer: Du bist Vertriebsleiter bei Dock18 in Zürich. Wie viele Leute seid ihr im Team?
Mario Purkathofer: Keine Ahnung, wir sind doch keine Professionalisten, dass ich das wissen müsste. Unser Team ist vor allem ein Freizeit-Team. Wir sind nicht der FC Barcelona. Trotzdem würde ich niemals behaupten, unsere Auseinandersetzung wäre nur ein Hobby. Wir machen Kultur und das ermöglicht uns, viel anzureissen und gleichzeitig sozial einfach da zu sein. In Zeiten der Virtualisierung ein geiles Angebot: “Da sein!” Das Core Team besteht aus 6 Personen (Sven Hürlimann, Christian Frick, Christina von Rotz, Effi Tanner, Patric Kaufmann und Mario Purkathofer).
Der Interviewer: Kannst du näher beschreiben, was du dort machst?
Mario Purkathofer: Ich leite den Laden, programmiere die Veranstaltungen, unterstütze Künstler bei ihren Projekten (Dada, DIY, Internet, Grafik, Public Domain, Game Skulptur), mache die Buchhaltung und verschicke Einladungen.
Der Interviewer: Was kann man sich unter Medienkulturen der Welt vorstellen?
Mario Purkathofer: Medienkultur ist ein Derivat der Kultur. Zu betrachten wären zum Beispiel die Auswirkungen von Facebook auf das Ausgehverhalten oder die Kultur des freiwilligen Programmierens für Open Source Projekte, usw. Derartige Zeugen von Medienkulturen werden lokal und physisch gebildet. Jede/r hat heute eine persönliche Geschichte über Medien zu erzählen. Wie man sich zum Beispiel über ein Medium kennengelernt hat oder wie das Wetter morgen wird, das sind alles Mikroereignisse, die der Medienkultur inhärent sind. Wenn heute jemand behauptet “Ich will mit all dem nichts zu tun haben” dann bezieht er/sie sich auch auf die Medien. Es ist unmöglich, sich völlig unabhängig von der Medienwelt zu begreifen. Wir wollen einen bewussten Umgang mit den Medien fördern, insbesondere auch mit den sozialen Netzwerken. Dock18 bildet Schnittstellen und Diskursräume jenseits von Unternehmen, Marketinginstituten und Universitäten.
Der Interviewer: Hast du noch Zeit, selbst künstlerisch tätig zu sein?
Mario Purkathofer: Ja, ich versuche dabei im Verborgenen zu bleiben!
Der Interviewer: Hast du das Gefühl, dass du mit deiner Arbeit die Betrachter erreichst und zum Teil auch dazu animieren kannst, selbst mitzutun?
Mario Purkathofer: Betrachter sind irrelevant! Wir überbrücken ja die Differenz zwischen Betrachter und Autoren permanent. Wir sind so Viele weil wir alles gleichzeitig sind: die Autoren, die Betrachter und die Kritiker. Wer mitmachen will, macht mit. Es ist freiwillig, ich kann maximal die Bahnreise zahlen.
Der Interviewer: Nach welchen Kriterien wählt ihr Künstler aus? Gibt es Ausschreibungen, auf welche sich die Künstler bewerben oder sucht ihr selbst?
Mario Purkathofer: Die Kriterien? Freunde, Facebook & Fans. Ich schreibe Leute einfach mal an. Wer Lust hat, macht mit. Wir haben natürlich einen grossen Pool an Künstlern, Wissenschaftlern und Technikerinnen, die immer wieder auch mit neuen Ideen kommen. Den Rest suchen wir über soziale Medien, benachbarte Festivals und Freunden von Freundinnen.
Der Interviewer: Wie läuft die Finanzierung?
Mario Purkathofer: ¾ durch die Stadt, ¼ erwirtschaften wir selbst.
Der Interviewer: Vieles wird bei euch virtuell umgesetzt, das heißt, die Betrachter werden zu virtuellen Veranstaltungen regelmäßig eingeladen. Gibt es darüber hinaus auch reale Ausstellungen vor Ort? Wenn ja, wo finden die Stadt.
Mario Purkathofer: Oh, da hast du etwas grundsätzlich falsch verstanden. Dock18 ist jeden Freitag von 20-24 Uhr geöffnet in Zürich, Seestrasse 395 mit Menschen auf 25m2 in 2 Stockwerken. Hinkommen musst du selbst!
Der Interviewer: Ihr plant viel Neues und seid quasi permanent am Ball. Welche sind deine nächsten Projekte?
Mario Purkathofer: Im Herbst/Winter 2013 dreht sich alles um “Lost in options”, es gibt eine Soiree mit russischer Medienkunst, eine Veranstaltung rund um Games haben wir gerade hinter uns. Wir planen wieder einen Public Domain Jam mit den Werken von 42 Autorinnen die 1942/43 gestorben sind, 111 Selbstversuche II – die Fortsetzung der Selbstversuche in Video, eine Tapetenausstellung für die wir noch Raum und Geld suchen mit 18 Künstlerinnen, eine weitere Edition für Medienkulturen 2013 bzw. vorher die bisherigen Editionen verkaufen und dann erwarten wir noch einen nationalen Preis.
Der Interviewer: Mario, ich bedanke mich ganz herzlich für dieses Interview und wir von figunetik.com wünschen euch weiterhin viel Erfolg bei all euren Projekten!