Dieter Raedel: Die Wahrheit über die Aktivitäten der Demonstranten im Oktober 1989 von der Gethsemanekirche Berlin zum Lustgarten.
In unmittelbarer Nähe der Gethsemanekirche wohnend, war ich seit dem 7. Oktober 1989 jeden Tag bis zur Großdemo am 4. November 1989 unter den Protestierenden und Demonstranten. Als am 8. Oktober die Gethsemanekirche mit etwa 3000 Protestierenden brechend voll war, ging ich während der vielen Ansprachen nach Hause und schrieb zitternd eine kurze Protestansprache, die ich anschließend in der Kirche verlas. Freies Sprechen wäre mir aus Angst und Sensibilität nicht möglich gewesen. Auf der dritten Stufe des Zuganges Stargarder Straße zum Hauptportal der Gethsemanekirche stand ein Stasi-Fotograf. An diesem Tag knipste er mich mindestens fünf mal. Spät abends sprach ich ihn an :
„Kriegt man auch ein Passbild gratis ?“ Er grinste, ohne zu antworten.
Abgesehen vom 16. Oktober, wo Handzettel für eine Demo verteilt wurden und über 10.000 Demonstranten teilnahmen, waren wir bei den täglichen Demonstrationen Richtung Staatsratsgebäude oftmals nur ein jämmerlicher Haufen von 800 bis 1200 Demonstranten. Die Kneipen waren voll und die Berliner schauten aus ihren Fenstern auf uns herab. Abgesehen von den üblichen Freiheits-Rufen, die wir von den Leipzigern uns abgezinkt hatten, schrienen wir: „Fernseher aus ! Kommt heraus !“. Ohne jede Wirkung ! Wenn man bedenkt, dass die sog. Hauptstadt der DDR ungefähr 1,2 Millionen Einwohner zählte, beteiligten sich an den täglichen Demonstrationen lediglich erbärmliche 0,1 Prozent der Ost-Berliner !!!
Meist kamen wir gar nicht zum Staatsratsgebäude, da die Polizei vor dem Palast der Republik / Berliner Dom alles abriegelte.
Prenzlmaler Dieter Raedel, Berlin